Die Wallfahrt auf dem Kermeter

Kaum waren die wunderbaren Vorgänge auf dem Kermeter, die und der Augenzeuge Michael Radermächer in seiner Beschreibung über die Entstehung der Wallfahrt berichtet, bekannt geworden, als auch schon die Leute aus der Umgegend zahlreich zur Schmerzensmutter „im Walde“ pilgerten. In einem sogenannten Heiligenhäuschen stand das Bild, und in einer in der Nähe errichteten Hütte lebte der fromme Heinrich Fluitter als treuer Wächter seines Kleinodes. M. M. Bonn, Vikar in Heimbach, erzählt in seiner „Geschichte des miraculösen Bildnisses“ folgendes: „Jetzt (d. h. nachdem das Muttergottes-Häuschen vollendet war) ging niemand vorbei, ohne sich vor dieses Bild zu knien und zu beten, und an Sonn- und Feiertagen pilgerten die Familien aus Heimbach truppweise betend dahin. Ebenso pilgerte mancher Betrübte im stillen zur schmerzhaften Mutter.

Der fromme Pfarrer von Heimbach hatte einen Opferstock dort anbringen lassen und die Gaben der Pilger flossen so reichlich, daß er nach einigen Jahren eine größere Kapelle bauen konnte. Als diese, zwar nur aus Holz gezimmert, fertig und benediziert war, zog der Pfarrer von Heimbach mit seinen geliebten Pfarrkindern gewöhnlich an jedem Samstag prozessionsweise zu Maria, der schmerzhaften Mutter im Walde und feierte in der Kapelle die hl. Messe. Bald schlossen sich aus den benachbarten Dörfern viele dieser Andachtsübung an. Die Opfergaben flossen reichlich, ja um so reichlicher, als es der allgemeine Wunsch war, allda eine Kirche erbaut zu sehen. Es wurden viele Kerzen, auch Gold und Silber zu Füßen des Bildes niedergelegt und geopfert. Der Zulauf zu Maria im Walde wuchs von Tag zu Tag. Die Kunde hiervon verbreitete sich bald im ganzen Nachbarlande und weiter. Der gute Pfarrer von Heimbach tat alles, um die Andacht zu verbreiten, mußte deshalb aber vieles leiden von falschen Brüdern ….“

In den Festtagen der Muttergottes ließ der Pfarrer von Heimbach Franziskanerpatres aus Düren kommen, um in der Kapelle auf dem Kermeter Gottesdienst zu halten. Zahlreich strömten alsdann die Bewohner der Umgegend zur Kapelle im Walde, um dort Trost und Hilfe zu suchen. Als aber die Zisterziensermönche sich auf der Bergeshöhe niedergelassen und die schöne Kirche vollendet hatten, wuchs der Zudrang der Pilger von Tag zu Tag. Von alters her hatte ja die Andacht zur schmerzhaften Mutter großen Anklang unter dem deutschen Volke gefunden, und der Zisterzienserorden zeichnete sich seit den Tagen seiner Gründung durch eine innige und kindliche Verehrung der Gottesmutter aus. Der feierlich-ernste Gottesdienst der Mönche, der einen tiefen Eindruck auf die Gläubigen machte, trug nicht wenig dazu bei, Mariawald in kurzer Zeit zu einem beliebten Wallfahrtsort zu machen.

Gerade die wichtigsten Urkunden des Klosters reden von den vielen Wallfahrten und erwähnen die zahlreichen Wunder, die auf die Fürbitten Mariens hin in der Klosterkirche geschahen. Schon Abt Arnold von Altenberg spricht in seiner Inkorporationsurkunde von „einem großen Zulauf, nicht bloß der Frauen, sondern auch der Männer“. In der erzbischöflichen Bestätigungsurkunde wird ausdrücklich hervorgehoben, daß in der Gnadenkapelle zahlreiche und Staunen erregende Wunder geschehen seien, und daß das gläubige Volk täglich in großen Scharen dorthin zusammenströme. In einer im Jahre 1521 vom Herzog Johann von Jülich ausgestellten Urkunde heißt es: „.. und da die Mutter Gottes am genannten Orte geehrt sein will, und dieses durch Zeichen und Wunder hinreichend bewiesen hat, ..“ . Herzog Wolfgang betont in einer Urkunde von 1636, daß auch zu seiner Zeit in Mariawald auf die Fürbitte Mariens hin auffallende Wunder an kranken Personen geschähen und Maria die Gläubigen in allen Nöten ihre Macht erfahren lasse. In ähnlicher Weise drückt sich Herzog Johann Wilhelm in einer Urkunde von 1696 aus.

Ein auf dem Bürgermeisteramt in Heimbach befindlicher Sammelband enthält die Aufzeichnung einer Anzahl beglaubigter Wunder, die im 17. Jahrhundert in Mariawald geschehen sind. Groß war in der Tat der Segen, der von der Klosterkirche auf dem Kermeter ausging. Wir dürfen wohl die Behauptung aussprechen, daß die göttliche Vorsehung Mariawald auserkoren hatte, eine feste Burg wahrer Frömmigkeit und innigen Gottvertrauens zu sein. Hier sollten zahllose Gläubige Trost, Kraft und Hilfe finden, zumal in den bitteren Zeiten der Glaubensspaltung und der endlosen Kriegswirren des 16. und 17. Jahrhunderts. Im Anfang des 17. Jahrhunderts, zur Zeit des Bruderkrieges und der ansteckenden Krankheiten, machten viele Pfarreien das Gelübde, jährlich in der Oktav von Mariä Heimsuchung in feierlicher Prozession nach Mariawald zu pilgern.

Um diese Zeit wurde im Kloster die Bruderschaft zu Ehren der sieben Schmerzen Mariä gegründet. In seiner Urkunde vom 23. September 1636 fordert der Herzog und Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm alle seine geistlichen und weltlichen Untertanen, besonders aber die Pfarrer der zwei bis drei Meilen vom Kloster entfernten Orte auf, zusammenzukommen, um die Wahl eines Vorstandes der Bruderschaft vorzunehmen. Pfalzgraf und Herzog Philipp Wilhelm erließ am 25. Juni 1672 eine Aufforderung ähnlichen Inhaltes, worin er u. a. erklärt, daß er selbst das Protektorat und das Amt eines ersten Präfekten der Bruderschaft übernehme. Durch ein Schreiben vom 9. Februar 1672 des Generalvikars des Servitenordens, P. Bernardin Maria Wenzl, wurde mit Genehmigung des Erzbischofs von Köln die in Mariawald errichtete Bruderschaft der Erzbruderschaft zu Ehren der sieben Schmerzen Mariens auf dem Kreuzberg bei Bonn aggregiert. Wie Philipp Wilhelm sich der Bruderschaft annahm, so tat es auch sein Sohn Kurfürst und Pfalzgraf Johann Wilhelm. Auch er wollte Protektor und erster Präfekt der Bruderschaft sein.

Gleichzeitig wurde eine Bruderschaftskasse gegründet zur Unterstützung armer Pilger und hilfsbedürftiger Studenten. Zur Förderung der Bruderschaft verfaßten die Mönche im Jahre 1696 ein Bruderschaftsbüchlein, dessen Titel lautet: „Schatzbüchlein der Bruderschaft der sieben Schmerzen Mariä der Mutter Gottes aufm Closter zu unser lieber Frawen-Waldt“. Es enthält die Geschichte, Satzungen und Ablässe der Bruderschaft, sowie die bei den Bruderschaftsversammlungen zu verrichtenden Gebete.

Im Jahre 1730 legte P. Cornelius Weber ein großes Bruderschaftsbuch an, in das die Namen der Mitglieder eingetragen wurden. Dieses Bruderschaftsbuch kam im Jahre 1804 mit dem Gnadenbild, Gnadenaltar und vielen anderen Sachen des Klosters nach Heimbach und wird von dem jeweiligen Pfarrer weitergeführt. Bis zum Jahre 1813 sind 306 Ortschaften mit ungefähr 7150 Mitgliedern verzeichnet.

Die Bruderschaft zur Verehrung der sieben Schmerzen Mariä wurde im Jahre 1239 gegründet. Das Titularfest derselben war im Jahre 1423 von dem damaligen Erzbischof Dietrich II. für die Kölner Erzdiözese auf den vierten Freitag nach Ostern festgesetzt worden. Am 26. April 1839 beging der damalige Pfarrer von Heimbach, Aloys Joseph Peters, das Fest des 600 jährigen Bestehens der Bruderschaft mit außergewöhnlicher Feierlichkeit. Von nah und fern waren die Mitglieder der Bruderschaft herbeigeeilt, um in der Heimbacher Pfarrkirche gemeinschaftlich zur hl. Kommunion zu gehen. Vor dem Hochamte verrichteten sie dann, eine brennende Kerze in der Hand haltend, das Weihegebet. Zur Erinnerung an dieses Jubelfest wurde am folgenden Tage der obere Teil des Heimbacher Kirchhofes eingesegnet. Vom Jahre 1847 an wurden keine Mitglieder mehr aufgenommen. Daher ersuchte der von 1895 bis 1907 in Heimbach als Pfarrer tätige Dechant Joh. Zeveld im Jahre 1897 das Erzbischöfliche Generalvikariat in Köln um Erlaubnis zur Neueinrichtung der Bruderschaft, die auch am 26. Februar desselben Jahres erteilt wurde.

Durch diese Bruderschaft war die Andacht zur schmerzhaften Mutter noch mehr befestigt. Die Wallfahrt zum Gnadenort Mariawald nahm immer mehr zu, da aus den 306 im Bruderschaftsbuch verzeichneten Ortschaften jährlich einzelne Gruppen oder ganze Prozessionen zur Gnadenstätte auf dem Kermeter pilgerten. Prior Johannes Conraths schreibt in einem Berichte an den Herzog von Jülich, daß jährlich über 25.000 Pilger nach Mariawald kämen und während der Oktav von Mariä Heimsuchung (2. Juli) mehr als 13.000 Personen an der Gnadenstätte die hl. Sakramente der Buße und des Altares empfingen, so daß außer den Patres von Mariawald noch fünfzehn fremde Patres und die Pfarrer der Umgegend herbeieilten, um im Beichtstuhl und auf der Kanzel auszuhelfen. Auch die schon des öfteren erwähnte Chronik des Schleidener Franziskanerklosters bemerkt zu wiederholten Malen, daß an den Festen Mariä Heimsuchung, Mariä Himmelfahrt und Mariä Geburt außerordentlich viele Pilger nach Mariawald wallfahrteten. Am Tage vorher oder am Morgen des Festes beichteten zahlreiche Pilger bei ihrem Durchmarsch durch Schleiden in der dortigen Klosterkirche, so z. B. im Jahre 1664 am Vorabende von Mariä Heimsuchung 210, im Jahre 1735 waren es 400, im Jahre 1742 sogar 500. Am Vorabend von Mariä Himmelfahrt beichteten in der Schleidener Klosterkirche im Jahre 1741 „800“, im Jahre 1750 sogar „1.000“ Pilger.

Da an den Muttergottesfesten immer drei bis vier Franziskanerpatres aus Schleiden in Mariawald aushalfen, haben diese genau aufgezeichnet, wie viele Beichten sie an diesen Festen dort gehört haben. So z. B. hörten diese Patres am Feste Mariä Heimsuchung im Jahre 1656 „900“, im Jahre 1660 „1.700“, im Jahre 1663 „1.294“ Beichten. Wenn man bedenkt, daß außer diesen Patres noch andere Welt- und Ordenspriester im Beichtstuhle der Wallfahrtskirche tätig waren, dann begreift man, daß die vom Prior Johannes Conraths angegebene Zahl nicht zu hoch gegriffen ist. Mag nun auch die Zahl der Wallfahrer Schwankungen unterliegen, immerhin eilten die Gläubigen in größeren Scharen zur Schmerzensmutter, wenn bittere Zeiten kamen. Und sie fanden und finden auch heute noch Maria immer wieder als die gütige Helferin, die Trösterin der Betrübten. Arme Sünder knien reumütig zu ihren Füßen, Kranke aller Art flehen im Genesung, kinderlose Frauen erbit-ten Kindersegen von derjenigen, die mit der Jungfräulichkeit die heiligsten Mutterschaft verband. Maria aber erhörte die Bitten ihrer Kinder; mit vollen Händen teilte sie auf Mariawald die Gnaden ihres göttlichen Sohnes aus und sie tut dies auch heute noch.

Pieta

Als Begleiterscheinung dieser Andacht zeigte sich die Opferfreudigkeit der Pilger und die Dankbarkeit jener, die an der Gnadenstätte Erhörung gefunden hatten. Das Gnadenbild war mit goldenen und silbernen Kreuzen, Herzen, Ohrringen und anderen Kleinodien geschmückt. Zahlreiche Krücken umgaben den Gnadenaltar und legten Zeugnis ab von den vielen Gnadenerweisen und Wundern, die hier auf die Fürbitte Mariens hin geschehen waren. Heinrich Gürtzghen von Scherfen, ein Ritter ohne Furcht und Tadel opferte hier nach einem ruhmbedeckten Kriegsleben Streitroß und Waffen. Am Fuße des Gnadenbildes fand er auch seine letzte Ruhestätte. Leider wurde in der Nacht vor dem Passionssonntage des Jahres 1722 in die Kirche eingebrochen und der Gnadenaltar seiner Zierarten und Kleinodien beraubt.

Das Zisterzienserkloster Mariawald hat die Aufgabe, die ihm die göttliche Vorsehung zuerteilt, treu erfüllt; es war und blieb ein Hort kindlicher Verehrung der schmerzhaften Mutter. Durch diese Andacht hat es Unzählige, Vornehme und Geringe, Arme und Reiche, im heiligen katholischen Glauben gestärkt und erhalten. Man hätte dieser Gnaden- und Friedensstätte eine lange Zukunft verheißen können.

Doch die französische Revolution brach aus, und die welschen Horden, denen nichts heilig war, besetzten auch unsere Gegend. Das Klostergut wurde mit Beschlag belegt und die Mönche mußten Mariawald verlassen. P. Edmund Ossen, der das Klostergut angekauft, aber bald wieder veräußern mußte, übergab das Gnadenbild und den prächtigen Marienaltar auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen Bischofs von Aachen, Msgr. Mr. Antonius Berdolet, der Pfarrkirche in Heimbach.

Daß das Gandenbild nach Heimbach kam, darf uns nicht wundern, denn eine innige Freundschaft verband die Bewohner des Tales mit dem Kloster Mariawald. Ein Bürger Heimbachs, der fromme Heinrich Fluitter, hatte den ersten Anlaß zur Gründung des Klosters auf dem Kermeter gegeben. Dem Kloster Mariawald hingegen verdankt Heimbach seine jetzige Pfarrkirche. Seine Mönche waren ja seit 1519 Pfarrer von Heimbach.

Eine entsetzliche Feuersbrunst hatte am 23. Mai 1687 in wenigen Stunden ganz Heimbach eingeäschert. Auch Burg und Kirche, sowie das so wertvolle Pfarrarchiv wurden ein Raub der Flammen. Der damalige Pfarrer, P. Bertram Müller von Mariawald, begab sich zum Herzig von Jülich, um ihn die traurige Lage des Ortes zu schildern. Auf seine Bitten hin ließ der Herzog den Einwohnern von Heimbach Bauholz anweisen, damit sie ihre Häuser wieder aufbauten. Außerdem erwirkte der Pater, daß Heimbach auf zehn Jahre von allen Steuern und Lasten befreit wurde.

Der damalige Prior von Mariawald erbat und erhielt vom Erzbischöflichen Generalvikariat in Köln die Erlaubnis Almosen zu sammeln, um die Pfarrkirche wieder aufzubauen. P. Bertram Müller und seine Nachfolger P. Johann Conraths und besonders P. Stephan Plusquin hielten es für eine ihrer Hauptaufgaben, die nötigen Mittel aufzubringen, um den Gläubigen Heimbachs eine neue Pfarrkirche zu erbauen.

Wegen der großen Not der damaligen Zeit konnte dieselbe jedoch erst im Jahre 1725 vollendet und am 9. September desselben Jahres konsekriert werden. Im Jahre 1738 zerstörte eine Feuersbrunst Dach und Glockenstuhl der Kirche. Der derzeitige Pfarrer, P. Bernhard Emonts, ließ aus dem Metall der drei geschmolzenen Glocken eine schwere Glocke gießen, und das Kloster Mariawald schenkte der Pfarrkirche zwei kleine Glocken, von denen das sogenannte Bernhardsglöcklein noch im Gebrauch ist. Auch an der Erbauung der Kapelle in Hasenfeld hatte Mariawald regen Anteil genommen und im Auftrage des Kölner Erzbischofs spendete ihr der damalige Prior des Klosters, P. Stephan Plusquin am 17. Mai 1754 die kirchliche Segnung.

So hatten Freundschaft, Liebe und Dankbarkeit ein inniges Band um Heimbach und Mariawald geschlungen, und diese Liebe und Dankbarkeit hat sich von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt, so daß auch heute noch die Bewohner des Tales gerne zum Kloster auf dem Kermeter wallen, und zumal an Sonn- und Feiertagen kommen sie in Scharen, um in der trauten Klosterkirche die Sakramente der Buße und des Altares zu empfangen. Darum lag es denn auch nahe, daß die Mönche Mariawalds bei der Aufhebung des Klosters ihren Freunden im Tale einen letzten Beweis ihrer Liebe und Freundschaft gaben, indem sie ihrer Pfarrkirche das Gnadenbild und den prächtigen Marienaltar anvertrauten. Am 22. Juni zogen die Pfarrangehörigen von Heimbach, geführt von P. Robert Hasert und P. Peter Goerdens denen sich Pfarrer Bindels von Vlatten mit seinen Pfarrkindern angeschlossen hatte, in feierlicher Prozession nach Mariawald. P. Goerdens hatte es übernommen, das Gnadenbild von seiner Stelle zu entheben. Zweimal versuchte er es unter Tränen, doch jedesmal überwältigte ihn die innere Gemütsbewegung. Das anwesende Volk weinte und schluchzte mit ihm; endlich gewann er die nötige Fassung und nahm das Bild. Darauf hoben die jungen Männer von Heimbach den kunstvollen Gnadenaltar auf ihre Schultern, und unter Gebeten und frommen Gesängen zogen sie hinab ins Tal, um Altar und Gnadenbild in der Pfarrkirche aufzustellen.

Im Jahre 1824 ließ der damalige Vikar in Heimbach, M. M. Bonn, durch einen Meister aus Aachen den Gnadenaltar vom Staub reinigen, so daß „jedes Figürchen strahlte“. Im Jahre 1844 erließ Herr Stiegeler von Hausen in seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Heimbach mehrmals einen „Aufruf zu freiwilligen Beiträgen“, damit der Gnadenaltar ausgebessert werden könne. Um das Jahr 1854 wurde das eigentliche Gnadenbild neu polychromiert.

Über dreihundert Jahre hatte das Bild der Schmerzensmutter an der ehrwürdigen Stätte gestanden. Wie viele mögen in dieser langen Zeit vor dem Gnadenbilde in der Klosterkirche gekniet haben! An Hunderttausenden hat die Mutter der Schmerzen auf dem Kermeter gezeigt, was sie bei ihrem göttlichen Sohne vermag. Unzählige haben durch sie hier Gnade und Heil für Leib und Seele gefunden.

Mariawald war verwaist. Doch wenn die frommen Pilger nunmehr auch nach Heimbach zum Gnadenbilde wallfahrteten, so unterließen sie es dennoch nicht, den Kermeter zu ersteigen und an der altehrwürdigen Stätte zu beten. Als Andenken brachen sie ein Zweiglein von den alten Nußbäumen im Klosterhofe oder pflückten ein Blümlein im Klostergarten. Und so ist es geblieben bis auf den heutigen Tag. Auch heute sind wohl die meisten Pilger der Ansicht, daß sie die Wallfahrt zur Schmerzensmutter nicht vollständig gemacht hätten, wenn sie nicht auch in der trauten Klosterkirche auf dem Kermeter gebetet hätten. Immer wieder zieht es die Pilger hin zur Gnadenstätte Mariawald, denn hier ist der Ort, den Maria sich erkoren, um Gnade und Segen zu spenden. Wo, wie die oben angeführten Urkunden bezeugen, Wunder ohne Zahl geschehen sind und wo auch heute noch die Schmerzensmutter die Macht ihrer Fürbitte erweist allen, die vertrauensvoll zu ihr ihre Zuflucht nehmen.

Im Jahre 1904 wurde die hundertste Wiederkehr des Tages der Übertragung des Gnadenbildes von Mariawald nach Heimbach in feierlichster Weise begangen. Am 26. Juni dieses Jahres hielt Seine Eminenz der Kardinal und Erzbischof von Köln, Dr. Antonius Fischer, in der Pfarrkirche zu Heimbach ein feierliches Pontifikalamt. Gegen zwei Uhr nachmittags setzte sich die Prozession in Bewegung, an der Se. Eminenz Kardinal Fischer, der Abt von Ölenberg, Franziskus Strunk und die Patres von Mariawald teilnahmen. Letztere trugen das auf reich geschnitzter Tragbahre stehende Gnadenbild. Die von den umliegenden Ortschaften seit den frühen Morgenstunden herbeigeeilten Gläubigen schlossen sich mit ihren Pfarrern der Festprozession an. Es war ein überwältigender Anblick, als diese mehr als zehntausend Menschen zählende Prozession betend und singend den Kermeter hinaufzog. Noch einmal wurde das Gnadenbild an jene Stelle gesetzt, wo es mehr als dreihundert Jahre gestanden hatte. Nach einer feierlichen Segensandacht zog die Prozession mit dem Gnadenbilde wieder hinab ins Tal. Eine schönere Prozession hatte der Kermeter nie gesehen.

Noch mehrmals wurde seitdem das Gnadenbild in Prozession nach Mariawald getragen. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts hatten die Prozessionen bedeutend abgenommen. Allein unter dem hochwürdigen Herrn Pfarrer Joh. Zeveld kamen außer zahlreichen Gruppen von Gläubigen wieder 48 Prozessionen, und nach einer Mitteilung des gegenwärtigen (1937) seeleneifrigen Pfarrers Dr. Beidenbend ist die Zahl der Prozessionen nunmehr auf ungefähr 60 gestiegen. Wenn heute manche Prozessionen nicht mehr so viele Teilnehmer aufweisen wie früher, so hat dies neben anderen Ursachen seinen Grund auch darin, weil nicht wenige Pilger außerhalb der großen Wallfahrtstage in kleineren Gruppen nach Heimbach wallfahrten und andere sich im Auto zur Schmerzensmutter bringen lassen.

Möge Heimbach sich stets würdig zeigen des kostbaren Kleinodes, das seine Pfarrkirche birgt! Möge es den ihm von seinen Vätern überkommenen kindlich frommen Glauben und die innige Liebe zur Schmerzensmutter als teures Erbe treu bewahren! Möge es gelingen, die Wallfahrt wieder zu einer solchen Blüte zu bringen, wie sie es gewesen, da das Gnadenbild noch in der Klosterkirche der weißen Mönche auf dem Kermeter stand!