Klein und unscheinbar beginnend hatten die weißen Mönche auf dem Kermeter in verhältnismäßig kurzer Zeit einen Teil des umliegenden Waldes gerodet und den steinigen Boden in Ackerland und Wiesen umgewandelt. Rasch blühte Mariawald empor und gelangte zu einem gewissen Wohlstande. Kirche und Kloster wurden mit Schenkungen und Stiftungen bedacht und reichlich floß das Almosen der Pilger. Freilich waren es nicht mehr jene Schenkungen, die das Frühmittelalter auszeichnete. Vorherrschend ist die Sorge um das Seelenheil der Beweggrund der edlen Spender. Man verpflichtet die Mönche zur Feier einer bestimmten Anzahl heiliger Messen, oder ersucht sie um ihr Gebet und um Anteil an ihren guten Werken. Andere lassen auch die sozialen Aufgaben erkennen, die Mariawald durch seine Wohlfahrtspflege erfüllte. Wie andere Klöster erfreute sich auch das junge Kloster auf dem Kermeter einiger Zins- und Rentenschenkungen, doch die meisten Besitzungen und auch den weitaus größten Teil der Zinsen, Renten und Zehnteinkünfte erwarb es käuflich. Diese Zins- und Rentenkäufe waren ja in jener Zeit ein beliebtes Mittel, das überflüssige Geld anzulegen. Zudem hatte der Zins- und Rentenkauf seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und besonders im 14. Jahrhunderts einen großen Umfang angenommen und war gleichsam eine Ergänzung für die Einschränkung des Eigenbetriebes.
Durch die Ordensregel waren die Zisterzienser zum eigenen Wirtschaftsbetrieb streng verpflichtet, und der Besitz von zinsenden Hufen war ihnen in der ersten Zeit streng verboten. (Hufe bezeichnet ein landwirtschaftliches Gut, welches mit einem Pflug bestellt werden kann und demnach der Arbeitskraft einer Familie entspricht).
Das Generalkapitel von 1134 erließ die Verordnung: „Den Lebensunterhalt sollen die Mönche sich durch Handarbeit, Ackerbau und Viehzucht erwerben.“ Erst später im 13. Jahrhundert, wich das Generalkapitel allmählich von dieser strengen Forderung ab und gestattete die Verpachtung der weit vom Kloster gelegenen Höfe und Äcker.
Die Eigenwirtschaft, das Ideal der alten Zisterzienser, konnte in Mariawald nicht durchgeführt werden, da hierfür (infolge der Bestimmung des Erzbischofs von Köln durfte die Zahl der Mönche nicht über achtzehn hinausgehen) zu wenig Kräfte vorhanden waren. Andererseits konnten in unmittelbarer Nähe des Klosters keine größeren Ländereien erworben werden. So wurde der weitaus größte Teil des Grundbesitzes seit den Tagen der Gründung durch Erb-, Vital- oder Zeitpacht den Bewohnern der Umgegend zur Nutzung übergeben. Der Grundzins wurde teils in Naturalien, wie Roggen, Spelz, Hafer, Butter oder Wein, teils in Geld gezahlt. Vielfach hatten die Pächter jedoch an bestimmten Tagen, wie am Kirchweihfeste, auf Maria Heimsuchung oder zu Neujahr, noch besondere Abgaben zu entrichten, z. B. ein fettes Kalb, Hühner, Kapaunen, Eier, usw. (Ein Kapaun oder auch Kapphahn oder Masthahn ist ein im Alter von etwa zwölf Wochen kastrierter und gemästeter Hahn). So mußten die Pächter des Baldwins- oder Paulushofes „uff der Kirchweyhungtagh einen guten dicken wohlgemesten hammel“ liefern; andere auf Maria Heimsuchung „einen guten feisten hammel“ oder „ein gutes Kalb“. Die Pächter der Höfe Schwammenauel und Berwincken hatten außer dem Pachtzins zu entrichten: „zu unser Kirchweyhung einen guden butterweck nit zu klein neben einem keeß“. Fast alle Pächter waren verpflichtet dem Prior zu Neujahr ein Geldgeschenk zu machen. „Soll auch jedes jair herrn prioren mit einem alten golt-gulden vor ein neues Jair gratulieren“. Mitunter werden auch die übrigen Mitglieder des Klosters zu Neujahr mit einem kleinen Geldgeschenk (20 albus) bedacht ; oder „… und jeder Herrn Conventuali auch jahrliches eins einen leibbendell, anders ein ehrliches meßer oder schnufftug zu verehren“.
Das Kloster hatte fast immer die Steuern, Abgaben und Lasten die auf dem Lehen oder Gute hafteten, zu leisten. Außerdem mußte es für die vorzunehmenden Ausbesserungen der Höfe und den durch Brand, Mißwachs oder Krieg entstandenen Schaden aufkommen. Diese Abgaben usw. waren nach den Aufzeichnungen in den „Rent- und Lagerbüchern“ bedeutend. Denn wenn auch die Zisterzienser in den ersten Zeiten kraft päpstlicher Privilegien vom Zehnt und von den Steuern befreit waren, so sehen wir doch, daß sie seit dem 15. und besonders seit dem 16. Jahrhundert zur Renten- und Einkommensteuer, sowie zu den außergewöhnlichen Steuern, die in jener Zeit nicht gering waren, herangezogen wurden. Wie die Urkunden beweisen, hat Mariawald nie große Reichtümer besessen, es war und blieb ein armes Kloster. Mag zu Zeiten auch das Almosen der Pilger ein reichliches gewesen sein, daß Kloster mußte sich aber auch der armen Pilger annehmen, manchem Wanderer einen Zehrpfennig mit auf den Weg geben und die bedürftigen Studenten, die zumal im Mittelalter auf die Mildtätigkeit der Klöster angewiesen waren, unterstützen. Der anfängliche Wohlstand dauerte zudem nicht lange, und mehr als einmal geriet das Kloster in große Not, die sogar sein weiteres Fortbestehen gefährdete.
Im Folgenden wollen wir in Kürze die Besitzungen des Klosters und seine Einkünfte, aber auch die Abgaben und sonstigen Verpflichtungen, die es dafür zu leisten hatte, angeben. Wir bemühen hierzu:
1. das vollständige Verzeichnis der Einkünfte und Abgaben, das die
Prioren dem Herzog ausstellen mußten.
2. das von den Franzosen im Jahre 1795 aufgestellte Inventar und
3. die im Düsseldorfer Staatsarchiv aufbewahrten Akte, Rent- und Lagerbücher.
1. In unmittelbarer Nähe des Klosters: ungefähr 30 Morgen schlechtes, steiniges Ackerland, einige Buschwiesen und etwa drei Morgen Weingarten, der jedoch zehntbar war und teilweise der Pastorat in Heimbach gehörte.
Einkünfte: 20 Malter Roggen; 30 Wagen „schlechtes und saures“ Heu und in guten Jahren 6-10 Ohm Wein.
Abgaben usw.: 5 Malter Hafer und 6 ½ Reichstaler. Die Kosten für die Bearbeitung dieser Ländereien beliefen sich jährlich auf mehr als 30 Reichstaler. In einer Handschrift von 1566 heißt es u.a. „Dat Cloister zu unser lieuer frauenwald,… hat magern lants und benden, daß sy selbst wynnen klagen moißen, daß sy mehr dran legen, dan es by kann brengen“ .
2. Der Baldwin- oder Paulushof. Es war ein Lehen des Herzogs von Jülich.
Die Gebäude des Hofes lagen im Amte Heimbach am rechten Rurufer; ein guter Teil der Ländereien jedoch am linken Rurufer im Amte Monschau und im „spanischen Gebiete auf Wollseifer Seite“, wie die Belehnungsurkunde ausdrücklich hervorhebt. Das Kloster hatte diesen Hof 1491 vom Burggrafen zu Heimbach, Ludwig von Schleiden für insgesamt 547 rheinische Goldgulden gekauft. Der Besitzer hatte auch freies Weidland. In einer Handschrift heißt es u.a. „…auch ist er weydfrey, mer dafur gifft man den furstern von Monjoe zween weyd kese“.
Einkünfte: 55 Malter Hafer, 12 Taler, 3 Stein Wolle. Der Naturalzins wurde später in einen Geldzins umgewandelt. Davon wurden jedoch, wie P. Prior Conraths in seinem Berichte sagt: „jährlichs von denen spanischen unterthanen bei 30 rth. abgezwackt“, was Prior Nicolai in seinem Berichte vom 23. April 1696 bestätigt.
Abgaben usw.: Das Kloster mußte einen bewaffneten Reiter und dessen Pferd unterhalten, in den Jahren von Wildwachs und während der Kriegewirren ein Viertel, ein Drittel oder mehr von der Pacht erlassen und zudem die nicht geringen Steuern zahlen.
3. Der Berwincken- oder Wildenhof. Das Kloster hatte ihn im Jahre 1503 käuflich erworben.
Im Jahre 1661 wurden die Gebäude durch eine Feuersbrunst in Asche gelegt und nicht mehr aufgebaut.
Einkünfte: 20 Reichstaler, 30 Malter Hafer und 30 Quarten Butter. Später ungefähr 58 Taler oder 30 Malter Hafer und 30 Taler.
Abgaben usw.: Die Steuern, die mindestens 13 Reichsthaler betrugen; die außergewöhnlichen Steuern und bei Mißwachs oder sonstigen Schäden Nachlaß eines Teils des Pachtzinses.
4. Schwammenauel-Hof
Einkünfte: 11 Malter Roggen, 11 Malter Hafer, 10 Quarten Butter. Später 12 Malter Roggen und 5 ¾ Malter Hafer.
Abgaben usw.: Jährlich ungefähr 10 Reichstaler Steuern; das übrige wie bei Nr. 2.
5. Das Eichergut in Hergarten
Einkünfte: 9 Malter Roggen
Abgaben usw.: Das Kloster war verpflichtet, in Kriegszeiten einen Wächter am Stadttor zu Nideggen zu stellen und zu unterhalten.
6. Einige Ländereien in Merzenich, Sinzenich, Langendorf und Hoven
Einkünfte: 12 Malter Roggen und 10 Malter Gerste.
Abgaben usw.: Prior Nicolai bemerkt in seinem Bericht, daß das Kloster für diese Ländereien mehr Steuern zahlen müsse, als sie einbrächten.
7. Eine Mühle in Sötenich
Einkünfte: Dem Herzog von Jülich mußten jährlich 14 Malter Hafer abgegeben werden. Diese 14 Malter Hafer und zwei Ohm Wein seines dortigen Weinzehntes schenkte der Herzog im Jahre 1515 dem Kloster Mariawald.
Abgaben usw.: Das Kloster mußte jährlich vier feierliche Seelenämter halten und vierzehn Reichstaler Steuer zahlen.
8. Der Hof zu Nierfel, genannt Genneperloe im Amte Gennep in Geldern.
Dieser Hof war ein Lehen des Herzogs von Jülich. Frater Johannes Balber (Balbier), Profeß in Mariawald, und seine Mutter Odilia Steynwech, die beide am 24. Juli 1508 starben, hatten ihn dem Kloster vermacht.
Einkünfte: 36 mitunter 40 Reichstaler. Da der Hof sehr weit vom Kloster entfernt lag, hatte man oft Schwierigkeiten mit den Pächtern wegen des Pachtzinses. Zudem brachte der Hof lange Jahre über-haupt nichts ein.
Abgaben usw.: Das Kloster war verpflichtet, am 24. Juli ein feierliches Jahrgedächtnis für die Verstorbenen der Familie Balbier zu halten.
9. Zinßheim (Zingsheim) . Es war ein Erbgut, das die Eheleute Tilman Kerne im Jahre 1519 dem Kloster geschenkt hatten.
Einkünfte: 2 Malter Spelz und ebensoviel Hafer.
Abgaben usw.: Jährlich mußten fünf heilige Messen für die Geber gefeiert werden.
10. Voissel, Gänse-Zehnt genannt, den das Kloster mittelst einer ihm von Gerhard Mawel und dessen Gemahlin geschenkten Summe erworben hatte. Dieser Gänse-Zehnt ging 1715 durch Kauf von dem Grafen von Blankenheim an den Schultheiß Ludwig Hüttengans in Heistert über.
Einkünfte: 10 Malter Hafer oder 5 Malter Roggen und 4 Malter Hafer.
Abgaben usw.: Das Kloster war jährlich zur Feier mehrerer heiliger Messen für die Geber verpflichtet.
11. Kesselkaul (Floisdorf).
Adam von Gymnich und Maria von Binsfeld, seine Gemahlin, hatten daselbst dem Kloster ein Gut vermacht.
Einkünfte: 4 Malter Spelz und 1 Malter Hafer. Oft wurde jedoch nur die Hälfte davon entrichtet. Später erhielt das Kloster 5 bis 7 Reichstaler.
12. Weißkirchen, zum Teil vom Kloster angekauftes Land,
zum Teil ein Zehnt, den Anna Margareta von Selbach dem Kloster geschenkt hatte.
Einkünfte: 4 ½ Malter Roggen und ebensoviel Hafer.
Abgaben usw.: Durchschnittlich mehr als die Hälfte der Einkünfte.
13. Wallendael (Wallenthal). Erbpacht von Adam Harff und seiner Gemahlin Elisabeth von Binsfeld.
Einkünfte: 4 Malter Roggen und 12 Malter Hafer.
Wegen der Armut der Pächter und weil die Ländereien weit auseinander lagen, wurde jedoch kaum die Hälfte der Pacht entrichtet.
Abgaben usw.: Der Konvent war zur Abhaltung eines feierlichen Jahrgedächtnisses und zur Verrichtung bestimmter Gebete verpflichtet.
14. Zülpich. Das Kloster besaß dort einen Zehnt.
Einkünfte: 4 bis 6 Malter Gerste.
Abgaben usw.: Es mußten mehrere Jahrgedächtnisse gehalten werden.
15. Außerdem besaß das Kloster noch einige Ländereien und Wiesen in Embken,Hausen und Heimbach, die im ganzen ungefähr 60 Reichstaler einbrachten. Ferner hatte es noch einige kleinere Zehnten.
Am Schluß seines Berichtes vom 23. April 1698 schreibt Prior Nicolai, „daß diese Angaben zur Genüge die Armut des Klosters beweisen, da sie kaum zum dürftigen Unterhalt der vierzehn Ordensleute und der zahlreichen Pilger sowie zur Aufrechterhaltung des Gottesdienstes ausreichten. Doch wolle er mit seinen Ordensbrüdern nach dem Beispiel des frommen Job auch in der Armut den Namen des Herrn preisen und ihn vertrauend, alles mit Geduld ertragen und ausharren, es sei denn, daß noch schlimmere Zeiten sie nötigten, den Ort zu verlassen.“
Es würde zu weit führen, wollte man alle Stiftungen erwähnen, die im Laufe der Zeit dem Kloster gemacht wurden, wenngleich manche derselben charakteristisch für die Gegend sind, nicht wenige Familiennachrichten enthalten und über vieles belehren, was zur Sitte und Rechtsverfassung der damaligen Zeit gehört.
Hier sei nur noch eine Art von Verpflichtungen erwähnt, die das Kloster zu erfüllen hatte, nämlich die gestifteten heiligen Messen. Im ganzen werden in den Totenbüchern 174 Stiftungen angeführt, worunter 52, die die Klosterinsassen verpflichteten, an bestimmten Tagen beim heiligen Opfer und in ihren Gebeten der Stifter zu gedenken. Dazu kamen 87 eigentliche Jahrgedächtnisse die an festgesetzten Tagen des Jahres gehalten werden mußten. Für die Herzöge von Jülich, für Johannes Roesgen, Burggrafen von Heimbach, sowie für die Herren von Blens und die Herren Beynawe bestanden Stiftungen von vier heiligen Messen, die auf vier Tage im Jahre verteilt waren.
Von der großen Dankbarkeit der Mönchen zeugen die Jahrgedächtnisse, die wie die Totenbücher berichten, „jenen Freunden und Wohltätern des Klosters galten, deren Namen zwar den Menschen verborgen, aber Gott wohl bekannt sind“. Neben diesen Jahrgedächtnissen mit je einer heiligen Messe an einem bestimmten Tage, waren acht Stiftungen mit drei, sieben mit vier, fünf mit fünf und eine sogar mit sieben heiligen Messen an einem Tage, wobei ausdrücklich bemerkt ist, daß fremde Priester hinzugezogen werden sollten, wenn im Kloster nicht so viele Priester zugegen wären.Außer diesen sind noch vier Stiftungen verzeichnet mit der Verpflichtung, daß sämtliche Priester im Kloster an diesem Tage die heilige Messe nach Meinung der Stifter darbringen mußten. Sie gelten dem Fr. Johannes Balber aus „Genp“ und dessen Verwandten, den Herzögen von Jülich und deren Familien, dem Pastor En-gelbert Reck aus Mechernich und den Verwandten des Mariawalder Priors Nicolai. Diese Stiftungen stammen aus dem Ende des 15. Jahrhunderts und aus dem 16. Jahrhundert und sind ein Beweis für den großen Glauben der damaligen Christen, da Adelige und Landleute, Fürsten und einfache Bürger daran beteiligt sind.
Freilich ist es unmöglich, alle Einkünfte bis ins kleinste hier anzugeben. Zudem waren diese sowohl als auch die Abgaben großen Schwankungen unterworfen. Während die Einkünfte zeitweise äußerst gering waren, stiegen die Abgaben mitunter ins Unglaubliche. Doch war die Not auf dem Kermeter oft auch sehr groß, noch größer war der Segen Gottes, und dank der guten Klosterzucht, die in Mariawald stets aufrecht erhalten blieb, dank auch der Spenden edler Wohltäter hat das Kloster sich erhalten, bis die französischen Klosterstürmer auch auf Mariawald ihre frevlerische Hand legten.